1945-1989: Segeln in der DDR

In den ersten Jahren nach Kriegsende ging es den Menschen unserer halb zerstörten Stadt vorrangig um das Lebensnotwendige und die Normalisierung ihres Alltags. Weiße Segel tauchten daher erst wieder in den Sommermonaten 1947 und 1948 vereinzelt auf dem Beetzsee auf. 

Die übrig gebliebenen Mitglieder des alten MSV schlossen sich den Seglern vom Grillendamm an. Vereine im herkömmlichen Sinne gab es nicht mehr. Die Entwicklung des organisierten Sports in der jungen DDR erfolgte in Betriebssportgemeinschaften (BSG), die nach Sportarten in Sektionen unterteilt und denen Trägerbetriebe zugeordnet waren. 

Die Volkswerft "Ernst Thälmann" Brandenburg (vorher Werft der Gebrüder Wiemann) wurde Trägerbetrieb der neu gegründeten BSG Motor Nord, die das Recht auf Nutzung des Bootshauses und des Geländes des alten Märkischen Seglervereins e.V. erhalten hatte. 

Peter Wernicke, einem Mitarbeiter der Werft, ist zu verdanken, dass am 01.09.1951 die Sektion Segeln der BSG Motor Nord an dieser Stelle gegründet wurde. Im Frühjahr 1949 hatte er als begeisterter Wassersportler bereits die Sektion Kanu dieser BSG hier gebildet, die Keimzelle des erfolgreichen Beetzsee-Kanusports, aus dem die mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin Birgit Fischer hervorging. Der erste Leiter der Sektion Segeln war Peter Wernicke (1951-1954), dann folgten Erich Kausmann (1955) und Walter Dengler (1956-1965). Zu den ersten Mitgliedern gehörten u.a. Georg Schumacher, Albert Karbe, Rudi Krienke und Theodor Dlugaiczyk. 

Der Trägerbetrieb, die Werft, ermöglichte Mitgliedern der beiden Sektionen, die größtenteils auch Betriebsangehörige waren, den Eigenbau von Booten. Die Mitglieder kauften das Material von der Werft, diese stellte ihnen eine Bauplatz zur Verfügung und gebaut wurde nach Feierabend. Auf diese Weise wurden von den Seglern zunächst 4, später weitere 13 Piraten-Jollen gebaut und als Eigentum der Erbauer sportlichen Zwecken zugeführt. In kameradschaftlicher Zusammenarbeit der Segler, die zum Teil auch gelernte Schiffbauer waren, wurden ab 1954/55 mit Unterstützung der Trägerbetriebe viele 20 qm-Stahljollenkreuzer (SR) im Roh- und Ausbau geschaffen. 

Auch die "Norda", ein 30 qm-Jollenkreuzer in Leichtbauweise von Schumacher und Karbe, entstand so. 

Die Werft übergab 1954 den Sportlern eine Motorbarkasse mit dem Namen "Hanno Günther". Diese wurde 1962 durch ein von Georg Schumacher konstruiertes und in Gemeinschaftsarbeit gebautes größeres und leistungsstärkeres Motorboot ersetzt. Beide Boote wurden alljährlich für Urlaubsschlepps in märkische und mecklenburgische Gewässer, zur Regattabetreuung und für Gästefahrten eingesetzt. Das letztgenannte Motorboot dient dem MSVB und den Vereinen des Reviers noch heute.

Wie Kurt Birnbaum und Jürgen Raeuber, langjährige Chronisten der Sektion, berichten, wuchsen die Mitgliederzahlen und der Bootsbestand von Jahr zu Jahr an. Ausgehend von einem Dutzend Mitgliedern und wenigen Booten im Jahre 1951 waren es 1960 95 Mitglieder mit 68 Booten. Neue Unterbringungsmöglichkeiten mussten daher geschaffen werden.

Die Steganlagen wurden erweitert. Der hölzerne Bootsschuppen aus dem Jahre 1911 wurde ab 1955 von Seglern und Kanuten in einen Massivbau umgewandelt. Gleichzeitig wurden den Seglern von den staatlichen Organen die völlig verwahrlosten und zum Teil zerstörten Gebäude der benachbarten ehemaligen Düngemittelfabrik zur Nutzung übergeben. Deren Erneuerung und die Gestaltung des dazugehörigen Geländes war ein Aufbauprojekt, das mit Unterstützung der Trägerbetriebe und erheblichem Arbeitsaufwand der Sektionsmitglieder realisiert wurde. Über mehrere Jahre hinweg wurden in vielen tausend gemeinnützigen, unentgeltlichen Arbeitsstunden der Mitglieder Werte geschaffen, die heute noch vielen Menschen zugute kommen. 

1957 konnte als Ersatz für die alte Slipbahn ein selbst errichteter Kran mit Handbetrieb, der später elektrifiziert wurde, in Dienst gestellt werden. 

Von Anfang an entwickelte sich damals eine breite Regattabeteiligung auf Kreis- und Bezirksebene. Diese führte in den nationalen Bootsklassen nach entsprechender Qualifizierung zu Teilnahmen an zentralen Regatten. Stellvertretend für alle Aktiven sei nur der 1960 und 1964 errungene Titel des Deutschen Meisters in der H-Jollenklasse von Hansi Gauglitz/Manfred Städtner auf H 407 genannt. 

Bereits 1955 konnten sich Erhard Schleuß/Rolf Nölte mit R 104 für die Deutsche Meisterschaft in der 20 qm- Jollenkreuzer-Klasse qualifizieren. 

Aber nicht nur beim Segeln und Arbeiten war man beieinander, man feierte auch zusammen. Es gab alljährlich Seglerbälle, die später als kreisliche Veranstaltungen von den Segelsektionen des Reviers gemeinsam getragen und unter Regie von Seppel Riewe dekorativ gestaltet wurden. Sportfeste, Kinderfeste, Weihnachtsfeiern, Skat und Rommé, sogar Winterwandern und Angeln gehörten dazu. 

Dann kam eine Veränderung: Die Volkswerft "Ernst Thälmann", die überwiegend Logger und Trawler für die Fischfangflotten der Sowjetunion im Rahmen von Kriegsreparationen, aber auch für anderen Bedarf, gebaut hatte, stellte am 31.12.1962 ihren Betrieb ein. Günstigere Produktionsstandorte an der DDR-Ostseeküste waren entstanden. Der mitten in der Stadt Brandenburg gelegene Werftstandort war nicht mehr optimal. 

Ein neuer Trägerbetrieb mit einer Betriebssportgemeinschaft musste gefunden werden. Es war dies ab dem 01.01.1963 der VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg, dessen BSG Stahl, Sektion Segeln die Segler der ehemaligen BSG Motor Nord als Gruppe mit aufnahm. Rund 27 Jahre gehörte die Sektion dieser großen und leistungsstarken BSG an. Als Sektionsleiter fungierten Siegfried Will (1965-1975), Siegfried Wagner (1976-1977) und Kurt Birnbaum (1978-1991). 

Es war eine für den Segelsport und das Gemeinschaftsleben erfolgreiche Zeit. Bis zum Jahre 1988 stieg die Anzahl der Mitglieder auf 178, die Anzahl der Boote auf 113, davon 27 sektionseigene und 86 private. 

Jugend vor der Wende
Ziehen an einem Strang

Der Kinder- und Jugendsport legte im Rahmen der Nachwuchsförderung kräftig zu.

Am Anfang waren es 4 von Arthur Draeger und weiteren Sportfreunden selbst gebaute Holz-Optimisten, die der Schriftsteller Käpt'n Ludwig Turek am 27.04.1969 taufte. Nach und nach kamen Plast-Jollen in den Kinder- und Jugendklassen zum Einsatz. Etwa 30 Nachwuchssegler wurden regelmäßig trainiert und erzielten auf Kreis-, Bezirks- und zentraler Ebene gute Regattaergebnisse. 

Aber auch im Regattasegeln der Senioren ging es voran. Stellvertretend sollen hier nur die Namen von Hansi Gauglitz, Günter Wohlgemuth, Erhard Schleuß, Gebrüder Hanitzsch, Seppel Riewe, Achim Neumann und Ulli Langhoff genannt werden, die bei vielen Regatten Spitzenplätze belegten. 

Im Laufe der 70er Jahre wurden im Eigenbau durch Sektionsmitglieder 5 seegängige Stahl-Hubkielkreuzer (sogenannte "Heringsfänger") und später 4 seegängige Plast-Hubkielkreuzer gebaut. 

Ostseeregatta 1986. Am Start
sind "Having" und "EOS"
Dieter Wernitz und Manfred Kühnemann
bei einer Regatta 1989

Damit wurde der Aktionsradius der Mitglieder von den Binnengewässern über die Oder in DDR-Küstengewässer erweitert. Einzelne Segler konnten damit auch an Seesegel-Regatten (z.B. Dieter Wernitz 1977 erstmalig an DDR-Meisterschaften im Seesegeln) teilnehmen. Einen Höhepunkt bildete das von der Sektion unter Regie von Siegfried Wagner am 17./18.8.1984 ausgerichtete X. Zentrale Fahrtenseglertreffen. 630 Segler auf 250 Booten aus vielen Bezirken bevölkerten damals den Beetzsee 

Zehntes Fahrtenseglertreffen 1988
Die Grillhütte auf dem Vereinsgelände
im Rohbau 1986

Am 01.05.1988 übertrug die Stadt Brandenburg der Sektion das Recht, die im Breitlingsee liegende Kanincheninsel als Stützpunkt für alle Segler aus nah und fern zu nutzen.